06. Oktober 2023 ab 18:00 Uhr: Francesca Wiegand – Fenster auf Kipp

Durch die Luft gewirbelte Teilchen.
Wenn Schimmel an der Fassade zu finden ist, deutet das meist auf ein schlechtes Raumklima hin. Wurde hier nicht richtig aufgepasst? Nicht angemessen geheizt oder gelüftet? Oder bedeutet dies ein in Räumen ausgelebtes Leben?

Die Auswirkungen von Schimmel auf den Menschen gelten als schädlich und krankheitserregend. Er stellt eine Beeinträchtigung eines gesunden Lebens in Räumen dar. Ein Zuhause wird damit unbewohnbar. Die Serie Fenster auf Kipp besteht aus zwei fotografischen Reihen: die erste fotografische Studie zeigt Schimmel als amorphe und pittoreske Gebilde an der Wand. Kleine fast unscheinbare schwarze Pünktchen erstrecken sich hin zu abstrakten Wucherungen. Bei dem Versuch ihn oberflächlich loszuwerden, zeigt sich schnell, der Schimmel kehrt immer wieder zurück. Doch ist der Schimmel neben diesen negativen Aspekten auch ein schönes Sinnbild für das bestehende Leben, der Lebendigkeit an sich. Bevor er sichtbar wird, verbünden sich kleinste Mikroorganismen miteinander zu einem großflächigen Bild. Leben entsteht im Verborgenen. Im zweiten Teil der Serie werden dem sehr abstrakt erscheinenden Schimmel Hände gegenübergestellt, die in unterschiedlichen Gesten zueinander finden. Sie stehen als Sinnbild für das eigentliche Raumklima, das durch das Leben und die Handlung des Menschen in Räumen entsteht.

Ein Fenster auf Kipp zu haben ist ein oft gut gemeinter Ratschlag, er bedeutet neben dem Versuch ein gutes Raumklima beizubehalten auch grundsätzlich Schimmel vorzubeugen. Das Öffnen eines Fensters bedeutet gleichzeitig auch eine Verbindung von innen nach außen herzustellen, hin zu dem Leben, das außerhalb eines geschützten Raumes stattfindet. Der Titel der Serie soll den poetischen Moment dieses Schwebezu- stands einfangen. Er beschreibt eine Grenze zwischen drinnen und draußen – ein Dazwischen. Hier befasst sich der Mensch mit seinem Zuhause im Kontext einer inneren Natur.

Ein Dazwischen findet sich auch in der Serie Flur 21 – eine Liegenschaft. Hier ist der Raum ein anderer. Hier liegt der Fokus auf dem Draußen. Ist ein Mensch mit einer bestimmten Gegend eng verbunden, wird sie als Heimat bezeichnet. Welche Schwierigkeiten der Begriff birgt, wird auf einer künstlerischen (Selbst) Erkundung ausgelotet: die Heimat oder das Zuhause nicht nur als einen physischen Ort verstehen, sondern auch die Beziehung zu uns selbst, unseren Erlebnissen, Handlungen, Erinnerungen. In dieser Arbeit wird die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und dem persönlichen Umgang mit dem Heimatort thematisiert. Boden wird aufgewühlt, das Prinzip des Haus- und Hofrechts wird hinterfragt, es findet eine Selbstbeobachtung mit der Hilfe einer Wildkamera statt. Hier befasst sich der Mensch mit seinem Zuhause / seiner Heimat im Kontext einer äußeren Natur.

Beide Arbeiten setzen sich unter dem Titel Fenster auf Kipp mit Räumen bzw. einem Zuhause auseinander. Auch der Mensch ist dabei immer mitgedacht, im Sinne einer äußeren Landschaft, die ihn umgibt und einer inneren, die ihn selbst beschreibt. Dabei findet eine Suche nach Ursprüngen und Traditionen, aber auch nach neuen Formen statt.

Beide Serien beschäftigen sich mit Drinnen und Draußen. In der Serie Fenster auf Kipp ist die Natur durch den Schimmel im Innenraum präsent. In der Serie Flur 21 – eine Liegenschaft findet Natur in einer biogra- fischen Erkundung als eine immer schon dagewesene Umwelt ins Bild. Der Bedeutung von Natur näher- zukommen, spielt dabei eine wichtige Rolle. Fragen danach, was Natur ist, ob es eine äußere und innere Natur gibt, sind immer Teil des Bildfindungsprozesses. Die Ausstellung Fenster auf Kipp befasst sich ganz übergeordnet mit dem Leben in Räumen und der Beziehung des Menschen mit seinem Umfeld, seinem Umgang mit der Natur und damit seinem Zuhause – seiner inneren und äußeren Natur.

Francesca Wiegand

Vernissage 06.11.23 ab 18 Uhr

Öffnungszeiten: 7.-8.11.23 15-18 Uhr